Newsletter-Anmeldung
Jetzt abonnieren und keine Ausgabe verpassen!
Gerne informieren wir Sie zum Erscheinen unseres vierteljährlichen Magazins Welt ohne Hunger.
Newsletter-Anmeldung
Jetzt abonnieren und keine Ausgabe verpassen!
Gerne informieren wir Sie zum Erscheinen unseres vierteljährlichen Magazins Welt ohne Hunger.
Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung.
Subsahara-Afrika steht vor Entwicklungsschüben in der Landwirtschaft, ganze technologischen Entwicklungen könnten übersprungen werden. Doch wie sollen diese gelingen? Über mögliche Rollen digitaler Dienste und ihre Potenziale.
Die Mechanisierung des Agrarsektors in Subsahara-Afrika ist eine der größten, aber auch schwierigsten Transformationen, die der Kontinent bewerkstelligen will und muss. Das mag aus europäischer Perspektive, wo Landwirtschaft nur noch ein marginaler Wirtschaftsbereich und die weitgehende Mechanisierung der Landwirtschaft selbstverständlich ist, befremdlich klingen. Aus afrikanischer Perspektive stellt sich die Mechanisierung jedoch als gewaltige Aufgabe dar, an der die meisten Länder bisher gescheitert sind. Wenn sie gelingt und auch wenn sie scheitert, wird dies für die Mehrheit der Menschen große Auswirkungen haben.
Etwa zwei Drittel der Bevölkerung in Subsahara-Afrika leben hauptsächlich von der Landwirtschaft, die meisten als Kleinlandwirt*innen. 50-85 Prozent der Bodenbearbeitung in den Betrieben wird rein manuell ausgeführt. Afrika erwirtschaftet nur 20-30 Prozent der Erträge, die mit guter landwirtschaftlicher Praxis erreichbar wären, und beherbergt etwa 50 Prozent der weltweit noch zusätzlich verfügbaren Ackerflächen. Die meisten jungen Menschen sehen keine erstrebenswerte Zukunft in der Landwirtschaft, weil die manuelle Arbeit mühsam und der Verdienst gering ist. Darüber hinaus gehen 30 Prozent der landwirtschaftlichen Produkte zwischen Feld und Konsument*innen verloren, meistens durch ineffektive Lagerung, Verarbeitung und Vermarktung in kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen (KKMU).
Mechanisierung kann an vielen Stellen dazu beitragen, die Erträge zu steigern, die Verluste zu verringern, die Einkommen zu verbessern, die Mühsal der Arbeit zu reduzieren und die Attraktivität der Agrarwirtschaft für junge Menschen zu steigern. Dabei geht es nicht nur um Feldarbeiten, sondern zum Beispiel auch um Bewässerung, Melk- und Fütterungsanlagen, Transport, Verarbeitung, Trocknung, Lagerung, Aufbereitung und Verarbeitung.
Sinnvolle Mechanisierung wird normalerweise dort stattfinden, wo die größten Fortschritte für einen Betrieb zu erzielen sind. Dies hängt zunächst von Produktionsausrichtung und Größe des Betriebes ab. Sie richtet sich aber auch nach den nicht-landwirtschaftlichen Alternativen der Mitglieder der Familienbetriebe: je mehr Arbeitskräfte abwandern, desto stärker der Bedarf an Mechanisierung. Auch die Rollen von Männer und Frauen inner- und außerhalb der Landwirtschaft sind ein wichtiger Bestimmungsfaktor.
Neben den betriebsinternen beeinflussen auch viele externe Faktoren die Mechanisierung: politische Unterstützung bzw. Vernachlässigung des Agrarsektors, geringer Bildungsgrad im ländlichen Raum, hohe Zollsätze für Maschinen und Ersatzteile, Mangel an privatwirtschaftlicher Präsenz im ländlichen Raum, starke Schwankungen der Ernten und der Agrarpreise, instabile Geschäftsbeziehungen zwischen Bäuer*innen und anderen Unternehmen.Eine besonders wichtige Rolle spielt die Finanzierung. Viele Maschinen, selbst kleine, sind teuer – zumindest zu teuer für kleinbäuerliche Betriebe. Zugang zu Krediten haben die wenigsten, zumal zu größeren und längerfristigen Krediten, wie sie für Maschinen – im Gegensatz zu Betriebsmitteln – nötig sind. Bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die den Großteil der Wertschöpfungskette bis zu den Konsument*innen organisieren, ist der Stand der Mechanisierung zwar etwas besser. Aber auch hier können sich viele Betriebe sinnvolle Investitionen kaum leisten und sind häufig nicht kreditwürdig. Ohne bessere Finanzierungsoptionen wird eine durchgreifende Mechanisierung des Agrarsektors in Subsahara-Afrika nicht möglich sein.
Ein Forschungsprojekt des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), finanziert von der Sonderinitiative Eine Welt ohne Hunger (SEWOH), untersuchte Erfahrungen mit und neue Möglichkeiten der Finanzierung von Mechanisierung in Subsahara-Afrika. Das Projekt wertete zunächst die Literatur zu den Auswirkungen von Mechanisierung auf die Ernährungssicherheit aus. Denn teilweise bestehen Befürchtungen, dass sie einfache Arbeiten und ungelernte Arbeiter*innen sowie Kleinbäuer*innen verdrängt und damit zu mehr Ernährungsunsicherheit führt. Die Analyse ergab jedoch, dass Betriebe meist nur graduell mechanisieren (können) und dabei den höchsten zusätzlichen Nutzen suchen. Dies gefährdet die Ernährungssicherheit nicht; Mehrproduktion und höhere Einkommen der Kleinbäuer*innen fördern diese sogar. Eine übermäßige Mechanisierung und eine dadurch mögliche starke Konzentration der landwirtschaftlichen Betriebe ohne Alternativen für Kleinbäuer*innen kann auch zum Gegenteil führen; dies ist in Subsahara-Afrika allerdings selten.
Die Untersuchung zeigte des Weiteren, dass die Bedarfe der verschiedenen Akteur*innen, von Kleinstbäuer*innen über Wachstumsbetriebe bis zu mittelgroßen Genossenschaften und Unternehmen, sehr unterschiedlich sind und in der Regel nicht von einem einzigen Typ von Finanzdienstleister abgedeckt werden können. Oft hat auch ein Akteur verschiedene Finanzbedarfe: So wird ein Leasingunternehmen zwar bestimmte Maschinen, aber nicht die Betriebsmittel finanzieren, die für eine gute landwirtschaftliche Praxis nötig sind und die Maschine rentabel machen. Ein Kreditanbieter kann und darf oft keine Versicherungspolicen vertreiben. Größere Kreditsummen, z.B. für einen Traktor oder für eine genossenschaftliche Anlage, sind zu groß für Mikrofinanz-Institute (MFIs), während einzelbetriebliche Kredite für Betriebsmittel oder Handgeräte zu klein für Banken sind. Die Finanzierung von Mechanisierung bedarf daher der Vielfalt von Finanzierungsinstrumenten und -instituten.
Das Projekt systematisierte außerdem die Schwierigkeiten der Finanzierung auf Seiten der Nachfrage, des Angebotes und der Transaktionen für Finanzdienstleistungen. Die Nachfrager – Bäuer*innen und KMU im ländlichen Raum – sind oft schlecht oder gar nicht ausgebildet und haben so gut wie keine formalen betriebs- und finanzwirtschaftlichen Kenntnisse. Sie sind oft in der Region verstreut, nicht organisiert und haben wenig materielle Kreditgarantien. Gerade die Kredite für Mechanisierung sind häufig auch zu groß für Gruppengarantien, wie sie von vielen MFIs akzeptiert werden. Kleinbäuer*innen haben oft auch eine schlechte Rückzahlungsmoral – besonders, wenn sie glauben, dass die Finanzen aus staatlichen Quellen kommen, wenn es wiederholt staatliche Schuldenerlasse gab oder wenn sie nicht an langjährigen Geschäftsbeziehungen interessiert sind. Genossenschaften und andere formalisierte Bauernorganisationen könnten im Prinzip die Nachteile der Kleinbäuer*innen überwinden, haben aber ihre eigenen Herausforderungen: ihre Gründung und Förderung ist sozial heikel und braucht viel Zeit. Private Mechanisierungs-Dienstleister*innen wie z.B.. größere Bäuer*innen sind in Subsahara-Afrika meist die realistischere Alternative.
Die reinen Finanzanbieter, wie MFIs, kommerzielle Banken, Kreditunternehmen, Versicherungen und Leasingunternehmen, haben oft nur wenig Erfahrung in der Landwirtschaft, sind im ländlichen Raum kaum präsent und fürchten die Witterungsabhängigkeit und andere Risiken im Agrarbereich. Für MFIs sind auch größere Maschinen zu teuer. Daneben gibt es zunehmend Abnehmer*innen von Agrarprodukten, die Bezugsmenge und -qualität sichern wollen und im Gegenzug für die vertraglich garantierte Lieferung (Vertragsanbau) den Produzent*innen Betriebsmittel und/oder andere Leistungen auf Kredit zur Verfügung stellen. Nach der Lieferung durch die Bäuer*innen verrechnen sie diese mit der Bezahlung der Produkte (Wertschöpfungsketten-Finanzierung). Die Verrechnung kann auch von einem von beiden Seiten vertraglich akzeptierten Finanzdienstleister abgewickelt werden (Dreiecksfinanzierung). Die Abnehmer*innen finanzieren oft nur die Betriebsmittel und Maschinen, die für die von ihnen aufgekauften Kulturen benötigt werden, nicht aber die für andere Kulturen. Auch größere und längerfristige Investitionen werden nur selten im Rahmen von Vertragsanbau finanziert, wenn es, wie z.B. bei Zuckerrohr, enge und auch langfristig kaum auflösbare Lieferbeziehungen gibt.
Allgemein sind die Transaktionskosten im ländlichen Raum sehr hoch, bedingt durch große Entfernungen und oft unwegsames Gelände, wenige und teure Transport- und Kommunikationsmittel und sprachliche Barrieren. Auch die physische Sicherheit von Geldtransporten ist ein Thema in vielen ländlichen Regionen. All dies macht Finanz- und andere Dienstleistungen, Güteraustausch, Absprachen und Kontrollen im ländlichen Raum teuer und riskant, was sich auch negativ auf die Finanzierung von Mechanisierung auswirkt.
Digitale Dienstleistungen (DDL) können die hohen Transaktionskosten im ländlichen Raum verringern. Für die Finanzierung von Mechanisierung spielt dies in mehrerlei Hinsicht eine Rolle: Zunächst können Finanzdienstleistungen wie Sparen, Überweisungen und Leasingverträge weitgehend digitalisiert werden, was lange und teure Fahrten reduziert und die Sicherheit erhöht. Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über digitale Konten erleichtert die Feststellung der Kreditwürdigkeit.
Des Weiteren verbessern auch nicht-finanzielle digitale Dienstleistungen oft die Kreditwürdigkeit der ländlichen Akteur*innen. Über eine digitale Identifikation der kreditnehmenden Bäuer*innen, die oftmals über keine formalen Dokumente verfügen, die Gefahr von Überschuldung und Kettenkrediten. Eine Digitalisierung der Kataster erlaubt eine bessere Nutzung von Bodenbesitz als Kreditsicherheit. Digitale Dienstleistungen können die Produktion und Vermarktung der Kleinbäuer*innen insgesamt auf vielfältige Weise verbessern und stabilisieren, z.B. in der Anbauberatung, durch Wetter-, Preis- und Vermarktungsinformationen oder Verbesserung/Verbilligung von Zertifizierung, was ihre Produktion rentabler und stabiler macht. All dies ist für die Finanzdienstleister*innen von hohem Wert, um die individuelle Kreditwürdigkeit einzuschätzen, gerade wenn sie von den Produktions-, Liefer- und Rückzahlungsqualitäten ihrer Klient*innen nicht besonders überzeugt sind. Darüber hinaus machen digitale Dienstleistungen bessere Informationen über den Sektor und einzelne Produkte schneller zugänglich und leichter zu verarbeiten. So reduzieren sie die tatsächliche und gefühlte Unsicherheit des Sektors insgesamt.
Das DIE-Projekt hat einige Beispiele für innovative Finanzierung von Mechanisierung zusammengetragen:
Viele digitale Finanzierungsmodelle sind bisher eher Pilotprojekte und noch nicht endgültig etabliert oder als Geschäftsmodell gesichert. Einer weiteren Verbreitung digitaler Dienste in der Finanzierung der Mechanisierung im Speziellen und der Agrarwirtschaft im Allgemein stehen immer noch große Probleme im Wege. Die Stromversorgung ist dabei das kleinste: Solarpanel und mobile Aufladedienste finden sich mittlerweile auf jedem ländlichen Markt. Aber die mangelnde Ausbildung, insbesondere Sprachbarrieren, lassen viele Kleinbäuer*innen schriftliche Verträge und Konditionen digitaler Dienstleistungen nicht verstehen. Die physischen Barrieren im ländlichen Raum und viele Risiken in Produktion und Vermarktung lassen sich zwar auch digital verkleinern, aber nicht aufheben. Viele enthusiastische App-Entwickler*innen von Marktinformationssystemen müssen zum Beispiel feststellen, dass gute Informationen kaum zur Verbesserung der Verkaufspreise führen, wenn sie nicht mit der Verbesserung der Marktmacht der Bäuer*innen einhergehen oder schlicht die Margen zu klein sind und der Verkaufsdruck zu groß ist, um Verhaltens- und Vermarktungsänderungen zu erlauben. Speziell bei der Mechanisierung sind oft die nicht informationsbedingten Hindernisse bedeutsam und die Risiken und Kosten so groß, dass sie auch von einzelnen digitalen Diensten nicht entscheidend gesenkt werden können.
Oft wird es daher sinnvoll und notwendig sein, mehrere Dienstleistungen zu bündeln und im Paket anzubieten. Digitale werden oft mit nicht-digitalen, klassischen Dienstleistungen kombiniert werden müssen, um einen entscheidenden Mehrwert zu liefern, der größere Mechanisierung und ihre Finanzierung erlaubt. Dies ist das Erfolgsrezept des Vertragsanbaus, das allerdings seine Grenzen gerade bei der Mechanisierung findet, da er selten langfristig den Gesamtbetrieb fördert. Lokale Aggregator*innen von Dienstleistungen, die als bezahlte Unternehmen ein dauerhaftes Einkommen aus dieser Aggregationsleistung beziehen, könnten eventuell ein wichtiges Geschäftsmodell werden. Die Digitalisierung erleichtert es außerdem, verschiedene Dienstleistungen zu kombinieren. Geklärt werden müssen allerdings dringend die Eigentumsansprüche an Daten und deren Übertragbarkeit, nicht nur um Persönlichkeitsrechte zu schützen, sondern damit sich Konkurrenz und neue Angebote entwickeln und durchsetzen können.
Noch steht die Digitalisierung von Dienstleistungen im Agrarsektor Subsahara-Afrikas also am Anfang, zumindest für das Massensegment der Kleinbäuer*innen. Aus der Ökonomie von digitalen Plattformen ist jedoch bekannt, dass erfolgreiche Modelle sich sehr schnell verbreiten können und dann auch zur Monopolisierung neigen. Es könnte also sein, dass sich die Mechanisierung des Agrarsektors in den kommenden Jahren sehr schnell verbreitet. Dann könnten andere Fragen des Strukturwandels im ländlichen Raum plötzlich drängend werden.